Kirchenfenster von 1250 Marburg
Kirchenfenster von 1250 Marburg

Von der Königstochter zur Armenpflegerin

Elisabeth von Thüringen wurde vor 800 Jahren geboren. Eine Frau, die ihre Zeit prägte, wie kaum eine andere. Königstochter, Landesfürstin, Heilige – Elisabeth füllte viele Rollen aus, und wollte doch nur eines: gottesfürchtig und buchstäblich menschenfreundlich leben.

Ihre Geschichte ist ein Stoff, der heutzutage die gesamte Boulevardpresse in kollektiven Rausch versetzen würde. Für Staunen, Entsetzen und Bewunderung hat sie schon zu Lebzeiten gesorgt.

1207 am ungarischen Königshof geboren, starb Elisabeth nur 24-jährig, in ärmlichen Verhältnissen im hessischen Marburg. Dazwischen liegt eine schillernde Biografie, die ihresgleichen sucht. Und die eng mit dem ludowingischen Fürstenhaus von Thüringen verbunden ist. Es ist die Zeit der Kreuzzüge, der großen politischen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich II. und den Päpsten, aber auch der geistigen Erneuerung und Frömmigkeit. Die ersten Bettelorden kamen auf, besonders die Franziskaner regten einen Trend zur Armut an. Elisabeth förderte, schon als Landesfürstin, die ersten Franziskanerniederlassungen in Thüringen.

Als schicklich galt damals, dass Frauen von Adel sich in angesehenen Klöstern als Chorschwestern niederließen, wenn sie der Welt entsagen wollten. Elisabeth ging einen völlig anderen Weg. Man muss sich vorstellen: Die Frau galt in ihrer Zeit als Minnekönigin und Heilige zugleich. In dieser Verknüpfung stellte sie letztlich ein Ideal dar, dass die Menschen faszinierte und Stoff für Lieder gab.

Aus machtpolitischem Kalkül ließ Hermann die vierjährige Prinzessin an seinen thüringischen Hof holen und verlobte sie mit Ludwig. Die beiden wuchsen gemeinsam auf – die Legende erzählt von einem liebevollen geschwisterlichen Verhältnis. Schon in ihrer Kindheit lehnte Elisabeth jeden Prunk ab und tollte am liebsten in einfachen Kleidern herum. Eine Sitte, die sie auch später als Landesfürstin nicht ablegte.

Eine solche Person muss auf literarische Gemüter einfach schillernd wirken. Und die Thüringer pflegten geradezu einen „Minnehof“. Dichter wie Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide oder Heinrich von Veldeke gingen dort ein und aus. Womöglich inspirierte Elisabeth Wolfram zu seinen Liedern. Sie handeln von der innigen Liebe zwischen einem Ritter und seiner Dame. Eine Replik auf die Liebesbeziehung zwischen Elisabeth und Ludwig?

Die Ehe mit Ludwig wird als innig und liebevoll beschrieben. Und Ludwig, so scheint, tolerierte sämtliche Marotten seiner Gemahlin, mit denen diese ihre adligen Standesgenossen schockierte. Immer zur Hilfe für die Ärmsten bereit und immer möglichst in schlichter Kleidung auftretend, allen Prunk von sich weisend. Schon als Ludwig 1227 zum Kreuzzug mit dem Kaiser aufbrach, hatten das Fürstenpaar – vermutlich auf Betreiben Elisabeths, ein Hospital in Gotha gegründet. Dort kümmerte sich die hohe Dame selbst um die Kranken. Eine Ungeheuerlichkeit in den Augen der Herrschenden. Es war ja schick, als barmherziger Stifter aufzutreten. Aber mit Kindern von Bettlern zu spielen und auch noch den letzten aussätzigen Kranken mit eigener Hand zu pflegen? Das wäre kaum einem in den Sinn gekommen. Für Elisabeth war dieses Leben aber offensichtlich das einzig wahre.

Nach Ludwigs Tod (1227 in Süditalien, auf dem Weg nach Palästina) wurde sie praktisch in die Armut gestoßen. Verjagt von Ludwigs Bruder Heinrich Raspe, der dessen Erbe antrat, landete sie buchstäblich auf der Straße. Ein Skandal in den Augen anderer Verwandter. So holte ihr Onkel Ekbert, Bischof zu Bamberg, die junge Witwe zu sich. Er legte ihr sogar eine neue Heirat ans Herz, mit keinem geringeren als Kaiser Friedrich selbst. Elisabeth weigerte sich strikt. Obwohl unter der Knute ihres Beichtvaters Konrad von Marburg, erwies sich die Frau als erstaunlich eigensinnig.

Elisabeth galt als Exzentrikerin, die man besser ihren Weg gehen ließ. Nach einer kühlen Versöhnung mit den Ludovingern ließ sie sich immerhin dazu drängen, ihren Witwenbesitz wieder anzunehmen und ihrem Stand nicht gänzlich zu entsagen. Und was tat Elisabeth? Sie nahm das ihr zustehende Vermögen, verließ Thüringen endgültig und ging irgendwann nach 1228 nach Marburg. Ihr gesamtes Geld steckte sie in ein neues Hospital, wo sie selbst unter ärmlichen Verhältnissen lebte und arbeitete. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr, Elisabeth starb 1231. Nicht einmal ein Jahr später schob Konrad von Marburg das Heiligsprechungsverfahren an. Schon 1235 war es schließlich soweit.

 

Das Buch über Elisabeth

Obiger Bericht stützt sich im Wesentlichen auf ein Buch, das im Thorbecke Verlag pünktlich zum Elisabethjahr erschienen ist. Die Mediävistin und Biografin Daria Barow-Vassilevitsch legte jetzt das wunderbar geschriebene Buch „Elisabeth von Thüringen – Heilige, Minnekönigin, Rebellin“ vor. Auf 144 Seiten nähert sich die Autorin äußerst einfühlsam dieser Figur. Fundierte Quellenanalyse, Vergleiche mit anderen Interpretationen und schließlich jede Menge eigener Rückschlüsse prägen den Band. Der Wissenschaftlerin geht ihre Heldin durchaus sehr nahe. Das tut dem Werk aber keinen Abbruch, denn die Autorin nimmt durchaus verschiedene Aspekte Elisabeths unter die Lupe. Flüssig zu lesen und mit gut erzählten Abschnitten über die damaligen Herrschafts- und Lebensverhältnisse versehen. Eine passende Lektüre über die Heilige – als Mensch. (ISBN 3-7995-0177-4 / geb. mit Schutzumschlag / 16 Farbtafeln / 24,90 EUR / sFR 43,50)